Die SPD-Fraktion hatte im Stadtrat einen Antrag mit folgenden Beschlusspunkten gestellt:

  1. Die Stadt Leipzig organisiert ein Jugendprojekt mit dem Ziel, die Lebenswege einzelner bisher unbekannter von den Nationalsozialisten ermordeter Leipzigerinnen und Leipziger, die weder in der Widerstandsbewegung engagiert waren noch besondere Verdienste oder eine herausragende Position inne hatten, zu erforschen. Die Ergebnisse werden auf geeignete Art präsentiert.
  2. Im Ergebnis des Jugendprojektes wird dem Stadtrat ein Vorschlag zur Benennung einer Straße zur Beschlussfassung in der Ratsversammlung vorgelegt.
  3. Darüber hinaus erarbeitet die Stadt Leipzig ein Gedenkbuch, in das die Namen aller durch das nationalsozialistische Regime ermordeten Leipzigerinnen und Leipziger aufgenommen werden.

Nach längeren und intensiven Beratungen in den zuständigen Fachausschüssen, aber auch mit der Israelitischen Religionsgemeinde in Leipzig, war der Antrag schließlich abstimmungsreif und fand im Stadtrat eine große Mehrheit. Um die Zustimmung der anderen Fraktionen warb Walter Rensch mit der nachfolgenden Begründung für unseren Antrag:

“Während der Nazi-Diktatur hat es eine Vielzahl von Gruppierungen gegeben, die aktiven Widerstand geleistet haben und für diesen Widerstand zumeist mit ihrem Leben, zumindest jedoch mit langjähriger Haft unter unmenschlichen Bedingungen gebüßt haben. Als Beispiele und ohne Anspruch auf Vollzähligkeit seien hier nur der sozialdemokratische, der kommunistische, der studentische, der bürgerliche oder auch der militärische Widerstand genannt. Nicht zu vergessen sind die Einzelpersonen, die ohne einer solchen Gruppierung anzugehören im Verborgenen gewirkt haben.

In der Stadt Leipzig gibt es eine Vielzahl von Straßen, die zu Recht nach solchen Personen benannt sind. Daneben gibt es jedoch die Millionen der von den Nazis ermordeten Menschen, bei denen der einzige Grund für das “Todesurteil” war, dass sie einer Gruppe angehörten, die von den Nazis zur Ausrottung vorgesehen waren, wie Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, körperlich oder geistig behinderte Menschen oder, wie sie zynisch genannt wurden, sogenannte “minderwertige Rassen”.

Das vorgeschlagene Jugendprojekt soll dazu dienen, den Lebensweg solcher bisher namentlich nicht bekannter Leipziger Opfer des Nazi-Terrors zu ergründen. Wir hoffen, dass sich daran möglichst viele Schulen beteiligen und messen ihm angesichts des verstärkt auftretenden Rechtsextremismus eine ganz besondere Bedeutung bei. Durch das Beispiel solcher erschütternden Schicksale kann das Bewusstsein geschärft werden, wohin Rechtsextremismus letztendlich führt, wenn seinen Anfängen nicht gewehrt wird.

Die SPD-Fraktion vertritt daher die Meinung, dass es dringend notwendig ist, eine Straße in unserer Stadt nach einem solchen Opfer zu benennen. Dieser Name sollte für all jene stehen, die ausschließlich wegen ihrer Abstammung, ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, ihrer religiösen oder politischen Anschauung oder aus anderen Gründen von den Nazis ermordet wurden.

Die größte Gruppe derjenigen, die systematisch ermordet wurden, war die der jüdischen Menschen. Aus diesem Grunde könnte für eine Straßenbenennung ein Name aus dieser Gruppe in Frage kommen. Jedoch sollte nach unserer Auffassung der Namensvorschlag von den Jugendlichen selbst erarbeitet werden.

Um die Erinnerung an die zahlreichen Opfer des Nazi-Regimes wach zu halten, sollte die Stadt Leipzig zusätzlich ein Gedenkbuch erarbeiten, in das die Namen der von den Nazis ermordeten Leipzigerinnen und Leipziger aufgenommen werden sollte. Da es sich bei dieser Arbeit um eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe handelt, sollte sie durch die Arbeitsverwaltung über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme förderfähig sein. Deshalb könnten wir uns durchaus vorstellen, dass die Erarbeitung des Gedenkbuches nicht in der Stadtverwaltung, sondern im Betrieb für Beschäftigungsförderung erfolgt. Dabei sollte durchaus auch externe Sachkunde und Unterstützung in Anspruch genommen werden, wie z.B. durch die Universität Leipzig, den Geschichtsverein, oder aber Religionsgemeinschaften.

Ebenso sind wir uns durchaus darüber im klaren, dass die Erarbeitung eines solchen Gedenkbuches nicht in einem zeitlich fest umrissenen Rahmen stattfinden kann. Vielmehr wird es sich dabei um eine längerfristige Aufgabe handeln.

Wir hoffen, dass angesichts der Dimension der durch das Nazi-Regime verursachten menschlichen Tragik unser Antrag eine breite Mehrheit erhalten wird und bitten Sie um Ihre Zustimmung.”