Rednerin: Traudl Weise

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte und Gäste!

Die Vorlage, mit der wir uns heute beschäftigen wollen, hat eine lange Geschichte.
Seit 1996 arbeitet der Psychiatriekoordinator, Herr Seyde, am Thema der Euthanasie in Leipzig. Zu dieser Problematik gibt es eine Unmenge an Literatur. Aber in fast allen Publikationen wird deutlich, dass der Ursprung der Verbrechen, der Stein, der die Lawine ins Rollen brachte, in Leipzig losgetreten wurde. Am 25. Juli 1939 erlitt das erste Kind hier in Leipzig den so genannten Gnadentod.
An dieser Tatsache kommt man nicht vorbei und es wird Zeit, dass auch der Stadtrat sich mit der Problematik auseinandersetzt.

Im Behindertenbeirat machte Herr Jähnig, der Geschäftsführer des Behindertenverbandes Leipzig, auf dieses Anliegen aufmerksam. Das war im Jahr 2004.
Im Auftrag des Beirates wurde eine AG gegründet, die sich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Auf der Suche nach Unterstützung wandten wir uns zuerst an Herr Seyde. Er benannte uns zahlreiche Personen, die zu diesem Thema bereits gearbeitet haben.
Unsere erste Unterstützerin wurde Frau Dr. Munk, Chefärztin für Psychiatrie am Parkkrankenhaus Leipzig.
Auf einer Veranstaltung des Krankenhauses äußerte sich eine Betroffene, deren Vater über Dösen in Zschadrass ums Leben gekommen war. Sie hatte 2003 versucht, über die Aktion Stolpersteine ein Gedenken zukommen zu lassen und berichtete, dass ihr Ansinnen im Jahr 2003 vom Stadtrat abgelehnt wurde. Dies zeigt, wie wichtig es für mich – als Stadträtin – ist, mit dem Thema intensiv auseinander zusetzen und ich bin dankbar, dass dieser betroffenen Familie der Stolperstein im September gelegt wurde. Weitere Verbündete sind uns die Kirchen, besonders das Jugendpfarramt, das Schulmuseum, der Paulinerverein, die Architekten der Pauliner-Aula aber auch eine junge Journalistin, die am 15. November eine sehr beeindruckende Veranstaltung organisierte. Sie führte sehr unterschiedliche Menschen zusammen. Das Thema Euthanasie wurde heiß diskutiert. Besonders herausgearbeitet wurde seine Aktualität und dass es falsch wäre, Euthanasie auf die Zeit des Nationalsozialismus zu beschränken. Dass entspricht  auch den Intentionen des Behindertenbeirates.

In unserer Arbeitsgruppe arbeitete von Anfang an auch der Leipziger Künstler Matthias Klemm mit. Er war Vater eines geistig behinderten Kindes und in seiner Familie lebt auch heute noch ein geistig behinderter junger Mann. Daraus erwächst seine besondere Beziehung zu unserem Thema. Deshalb war es ganz selbstverständlich, dass er uns einen Entwurf für einen Gedenkstein anfertigte.
Auf dem Gedenkstein, den der Beirat an einem zentralen Ort aufstellen möchte, soll stehen: Wider das Vergessen, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Der Beirat möchte, dass sich die zukünftige akademische Jugend mit dem Thema auseinandersetzt. Deshalb ist es unser Wunsch, dass dieser Stein in der zukünftigen Pauliner-Aula einen würdigen Platz findet.

Vor 2 Tagen hat der Behindertenverband anlässlich des Friedensgebetes in der Nikolaikirche die Kollekte für das Projekt des Beirates gesammelt, so dass ein gewisser finanzieller Grundstock vorhanden ist.
Dem Beirat ist es wichtig, dieses Gedenken auf viele verschiedene Ebenen zu legen.
Wir haben die Hoffnung, dass nicht einmalige Projekte stattfinden, sondern dass – zusammen mit Herrn Seyde – ein Prozess der Aufarbeitung stattfindet.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Ausstellung, die das Jugendamt, zusammen mit dem Schulmuseum organisiert, hinweisen. Diese wird am 27.01.2007 im Neuen Rathaus eröffnet. Leipziger Schüler präsentieren die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Euthanasie.