Rednerin: Dr. Anke Kästner, Stadträtin der SPD-Fraktion

 

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
werte Damen und Herren Bürgermeister,
Kollegen und Kolleginnen des Stadtrates,
liebe Gäste!

Dass die uns zur Beschlussfassung vorliegende Drucksache bei vielen Akteuren, die sich die letzten 20 Jahre aktiv für eine menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern in unserer Stadt eingesetzt haben, die Alarmglocken schrillen lässt und Widerstände weckt, kann ich 100%ig nachvollziehen und erwarte ich sogar.
Beispielhaft erwähnt seien hier u. a. der Flüchtlingsrat, die Gesellschaft für Völkerverständigung und der Verein “Brückenschlag e.V.”

Ohne das beharrliche und ehrenamtliche Engagement dieser Menschen, die immer wieder und zu Recht auf die unzureichenden Wohn-, Lebens- und Integrationsbedingungen hingewiesen und selber mit angepackt haben, hätten wir den derzeitigen Standard wahrscheinlich noch nicht erreicht. Auch dass in Leipzig heute 63% der Asylbewerber und Asylbewerberinnen bereits in dezentralen Unterkünften leben, ist maßgeblich diesen Akteuren zu verdanken, die unermüdlich und immer wieder die optimale Ausnutzung der rechtlichen Grundlagen zur dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen durch die Verwaltung eingefordert haben. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken und allen Beteiligten meinen Respekt aussprechen.

Trotzdem wird die SPD-Fraktion der Vorlage, vorbehaltlich dessen, dass die Verwaltung den Empfehlungen des Migrantenbeirates folgen wird, zustimmen, die da heißen:

1. Der Migrantenbeirat wird bei der Erstellung der Leistungskataloge durch das Sozialamt mit einbezogen.
2. Er wird im Vergabegremium als Sachverständiger angehört.

Zurzeit leben in unserer Stadt 284 Asylbewerber in Asylbewerberheimen. Zieht man die Personen ab, die als Familien oder Alleinerziehende mit Kindern noch dezentral untergebracht werden, sprechen wir von derzeit 228 allein stehenden Männern.

Wir sind der Meinung, dass wir durch eine Einbeziehung des Migrantenbeirates bei der Planung und Gestaltung der Räumlichkeiten und des Grundstückes, sowie der Art und des Umfanges der sozialen Betreuung deutliche Verbesserungen gegenüber der jetzigen Situation der Bewohner in der Torgauer Straße erreichen können.
Folgende Verbesserungen wären uns dabei besonders wichtig:

– Erhöhung der pro Person als Mindestvorgabe vom Land vorgesehen sechs Quadratmeter für wohnen und schlafen
– Möglichkeiten der Unterbringung in Einzelzimmern zur Wahrung der Intimsphäre der Männer; unserer Meinung nach ist es für keinen Menschen zumutbar über viele Jahre mit anderen Personen auf engstem Raum zusammenzuleben, ohne sich jederzeit zurückziehen und eine Tür zumachen zu können, besonders der Ausbruch von Aggressionen ist da geradezu vorprogrammiert.
– Die Schaffung vielfältiger und ansprechender Freizeit- und Sportmöglichkeiten
– Eine intensivere und vor allem aktivierende Sozialbetreuung (wie so etwas funktioniert kann sicherlich hervorragend von den ehrenamtlich tätigen Vereinen und Initiativen abgeguckt werden)
– Aktive Unterstützung bei der Bildung von Patenschaften zw. Leipzigern und einzelnen Asylbewerbern
– Aktive Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für die Asylbewerber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten

Zu klären sein wird noch die Finanzierung der Mobilität der Asylbewerber. Sie sind zwar berechtigt, dass Sozialticket zu nutzen, allerdings glauben wir nicht, dass ihr ohnehin extrem schmales Budget dieses überhaupt zulässt. Eine uneingeschränkte Mobilität ist für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen jedoch unbedingte Voraussetzung (siehe Begründung zum Sozialticket), z.B. um zum Sprachkurs, zu Ärzten, Einkaufs- und ggf. Arbeitsmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten zu gelangen.

Meine Fraktion, die SPD-Fraktion, wird der Drucksache, vorbehaltlich dessen, dass die Empfehlungen des Migrantenbeirates zu Protokoll gegeben und auch so umgesetzt werden, zustimmen.