Redner: Jürgen Wesser, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,                    
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!
Bis 1980 hatte ich das Privileg, in einem Gründerzeithaus nähe Ostplatz zu wohnen. In einer Dachgeschosswohnung. Im Sommer hat es reingeregnet, im Winter hat der Ofen gequalmt und durch die dünnen Decken und Wände und über eine immerhin 11 m breite Strasse, ungestört von irgendwelchem Grün, war ein reger oft interessanter Kontakt zu den Nachbarn möglich.
Das Haus steht heute noch. Es ist saniert, hat Zentralheizung und ein ganzes Dach. Straße und Wände sind wie 1980.

Als Schichtarbeiter mit Kleinkind hatte ich in der DDR bevorzugt Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Wir waren glücklich, als uns eine betriebsinterne Kommission eine Wohnung in Grünau zugesprochen hat. Fernheizung, warmes Wasser und Blick auf einen Park. Die Mängel, die es damals gab, haben wir in Kauf genommen. Miserable Verkehrsanbindung, schlammige Baustraßen, kaum Grün, nur eine Kaufhalle im WK. Wir fanden die Wohnung trotzdem schön.

Mängel gab es auch noch 1990. Zu dichte Bebauung, zu wenige Wohnungen, zu wenige Parkplätze, mangelhafte Versorgung. Wir fanden unsere Wohnung immer noch schön. Da tu ich, wie viele andere Grünauer auch, heute noch.

Grünau hat heute jede Menge Grün, hat Radwege, ist fußgängerfreundlich, hat Spielplätze, Schulen, Kindergärten, eine hervorragende Verkehrsanbindung, es gibt genug Parkplätze, Einkaufzentren und den Kulkwitzer See. Es ist viel investiert und saniert worden. Wir finden unsere Wohnung noch schöner. Wie alle, die jetzt in Grünau wohnen.

Es wird erstaunlicherweise über keinen anderen Stadtteil so intensiv diskutiert wie über Grünau. Eigentlich verstehe ich es nicht. Aber vielleicht ist genau diese Diskussion Ursache der scheinbaren und tatsächlichen Probleme dieses Stadtteiles.
Die dort wohnen, wollen, wie Umfragen immer wieder zeigen, wohnen bleiben, sind aber verunsichert.
Junge Leute mit Kindern ziehen nicht, oder noch nicht, hin. Auch Dank der umfänglichen Diskussion ist die Platte aus deren Sicht etwas für Rentner und Arme geworden. Ergebnis ist eine immer noch negative Bevölkerungsentwicklung in Grünau.

Hier setzt die neue Entwicklungsstrategie der Stadtverwaltung – nicht nur mit der Vorlage Grünau 2020 – auf eine wohltuende Weise auch mit einer neuen Politik ein. Es wird nicht mehr über Grünau geredet, sondern mit den Grünauern. In vielen Foren mit viel Geduld. Sehr sachlich.
Die Ergebnisse dieser Gespräche finde ich fast alle in der Vorlage wieder. Grünau kann wieder, vor allem in der Außenwirkung, ein besseres Image bekommen und damit eine sichere Zukunft. Die Einwohner dieses Stadtteiles wissen, wo sie sicher wohnen bleiben können und welche Entwicklung ihr Viertel nehmen wird.

Es kann Wohnungen und Häuser für alle Ansprüche und Gruppen geben. Kurz, Grünau kann wieder zu einem ganz normalen Stadtteil Leipzigs werden, über den nicht mehr und nicht weniger diskutiert wird, als über jeden anderen Stadtteil auch. Ohne Segregation und Negativimage. Ein paar Kleinigkeiten bleiben dennoch als Wünsche offen.
Erstens, die Landtagspolitiker mögen sich bitte dafür einsetzen, dass nicht nur Rückbau, sondern Umbau gefördert wird.
Zweitens, das der Pakt der Bürgernähe wieder mit Leben erfüllt.
Drittens, das Angebot an Funktionen und Wohnformen in Grünau möge die Vielfalt erreichen, die das Gebiet für alle Schichten der Bevölkerung attraktiv macht.
Dazu gehören aus meiner Sicht neben den Geschossbauten mit und ohne Aufzug Stadthäuser, Reihenhäuser und freistehende Eigenheime, viel Grün und eine gute Verkehrsanbindung. Eine intakte Infrastruktur, eine Vielfalt von Kultur- und Bildungsangeboten wie z. B. die Montessourie-Schule und das Klinger-Gymnasium (der intensiv diskutierte Campus Grünau) und gut erreichbare Arbeitsplätze. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Gestaltung ist das alte Schönauer Kasernengelände.

Grünau 2020 ist aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion, eine Weichenstellung in diese Richtung.
Wir werden zustimmen und darauf achten, dass die Pläne mit Konsequenz umgesetzt werden.
Vielleicht haben wir dann ein neues Problem. Zu wenige Kindergartenplätze auch in Grünau. Darauf freue ich mich.