Redner: Manfred Rauer, Stadtrat

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

werte Gäste,

mit dieser Vorlage wollen wir heute eine Grundsatzentscheidung treffen, aber das Thema Offenlegung von Gewässern wird uns noch lange beschäftigen.

Die Meinungsverschiedenheit zu den beiden Varianten beruht ja auf der Frage, ob man sich an einen historisch begründeten Verlauf gebunden fühlt oder ob man sich auch einen anderen vorstellen kann.

Die Leipziger Gewässerstruktur war immer von Veränderungen geprägt, genauso wie Wegebeziehungen, Plätze und Bebauungen. Lassen Sie mich nur an den alten Elsterverlauf erinnern und die Entstehung des Elsterflutbetts und auch auf dem Floßplatz wird schon lange kein Holz mehr angeliefert. Auch das Anlegen der Mühlgräben und deren Verlauf entstanden unter den damaligen Bedingungen und Interessen.

Wir beschäftigen uns heute mit einem geringen Teil im gesamten Verlauf des Pleißemühlgrabens, ca. 310 m von 3800 m. Die schon geöffneten Abschnitte sind ebenfalls stadtbildprägend und auch hier handelt es sich um eine herausragende Lage.

Für die Befürworter der Variante 1 sind ortsgeschichtliche und kulturhistorische Gründe maßgeblich. Zweifellos ist das für eine Entscheidung ein wichtiges Kriterium. Daraus leitet man nun eine Reihe von Vorteilen für diesen Verlauf ab:

  • Entstehen einer durchgehenden abgeschirmten Uferpromenade
  • Beruhigung des Wohnhofes
  • Begrünte Uferterrassen
  • Standort für einen Kindergarten
  • Unterquertes Hochhaus als architektonische Attraktion
  • Ringpromenade bleibt erhalten
  • Funktion der Feuerwache wird nicht beeinträchtigt

Im Prinzip handelt es sich um Annahmen, deren Realität und Eintrittswahrscheinlichkeit jeder für sich entscheiden muss.

Die in Aussicht gestellte durchgehende Uferpromenade ist ein ca. 150 Meter langer Teil, von deren Ufer der Blick aus 10 m Entfernung auf die Rückseite der Feuerwache und der IHK fällt. Sie ist auf der gesamten Länge nur auf einer Seite nutzbar. Vielleicht endet sie auch eines Tages an einer Ringbebauung, weil sich kein Investor findet der in seinem Erdgeschoß einen 10 m breiten Fluss will.

Die LWB empfindet diese Variante als Aufwertung ihres Grundstückes. Man will an dieser Stelle einen öffentlichen Raum als Erlebnisfläche schaffen. Das ist ja durchaus realistisch. In innerstädtischer Lage, ruhig und abgeschirmt an einem schönen Gewässer lasst es sich in einer lauschigen Sommernacht schön feiern. Ich frage Sie, wer sich das für seinen eigenen Hof wünscht?

Die Bewohner haben zur Straßenseite eine vierspurige Ausfallstraße und eine von mehreren Straßenbahnlinien benutzte Trasse, und wenn sie aus der Haustür treten stehen sie auf dem Radweg. Eine Erlebniszone im Hof rundet das Bild trefflich ab.

Ringpromenade und Feuerwehr lassen sich nur im Zusammenhang betrachten.

Dazu heißt es in einem Schreiben an die Stadträte:

„Herr Heitmann denkt nur an die Feuerwehr, ohne auch nur einen Gedanken an unsere Stadt Leipzig in seiner Gesamtheit ( städtebauliche Entwicklung einschließlich Bebauungs- und Verkehrsplan usw. ) zu äußern.“ Und weiter heißt es: „Purer Egoismus der Branddirektion. Es gibt nicht nur dir Feuerwehr in Leipzig, hier leben auch Menschen, denen generell historische Bezüge zu unserer Stadt sehr wichtig sind.“

Und dann wird der Lärm und der Verkehr der Feuerwehr und die für die Bürger unzumutbare Schmuddelecke des Hofes anstelle einer wunderschönen Flusslandschaft im üppigen Grün beklagt.

Ich will hier deutlich sagen: Diese Betrachtungsweise von Herrn Heitmann ist der Wesenskern seiner Arbeitsplatzbeschreibung. Wenn er den Intentionen der oben zitierten Schreiberin folgen würde, müssten wir ihn feuern.

Und ich stelle fest, dass ich an dieser Stelle eine grundsätzlich andere Meinung habe. Brandschutz in seiner umfassenden Form ist sozusagen die Mutter der Daseinsvorsorge. An dieser Stelle kann es in einer wachsenden Stadt keine Kompromisse geben und wir müssen dafür sorgen, dass dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind. Noch 1910 war die pferdebespannte dampfgetriebene Löschspritze im Einsatz. 100 Jahre später sind auf Grund der gestiegenen Anforderungen und der vorhandenen Technik ganz andere Bedingungen notwendig, auch platzmäßig. Und ja, Feuerwehrstandorte sind naturgemäß mitten in der Stadt am effektivsten und die Bürgerinnen und Bürger wissen das durchaus zu schätzen. Und die Kameradinnen und Kameraden der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Wehren tun alles um die Belastungen so gering wie möglich zu halten.

Nun sind alle für die Variante 1 positiven Betrachtungen für die Variante 2 spiegelbildlich negativ:

Ein deutlich verkürzter Flusslauf (20 m) schmälert den Gewinn für das Stadtbild

Ich sehe das anders. Der Verlauf wird hier fast in seiner ganzen Länge beidseitig erlebbar. Und die Erfahrung an anderen Stellen in unserer Stadt lassen mich auch daran zweifeln, dass das Verweilniveau durch die Lage drastisch eingeschränkt wird. Auch die freie, nicht verbaute Sicht über das Gewässer ist eher positiv zu bewerten.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass ein bebauter und eingezäunter Betriebshof der Feuerwache unmittelbar am Ring kein stadtbildprägender Höhepunkt wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich maße mir nicht an, im Namen aller Leipzigerinnen und Leipzigern zu sprechen. Jeder von uns muss sich aus den Fakten seine Meinung bilden, und wenn eine Mehrheit es anders sieht werden wir diese Lösung realisieren und mit den Folgen verantwortungsbewusst umgehen.

Ich habe nur das Gefühl, dass wir uns hier an der falschen Stelle zu sehr verkämpfen. Mich besorgt etwas anderes:

Vielleicht ist ein gewisses Unverständnis durchaus berechtigt. Die Öffnung der Mühlgräben erfolgt in einem Ablauf, der fertiggestellte Abschnitte dann für lange Zeit in einen unansehlichen Dornröschenschlaf schickt.

Der Abschnitt Ranstädter Steinweg des Elstermühlgrabens z.B. wurde 2007 aus Mitteln des Olympiasofortproramms geöffnet. Damit konnte man also nicht warten. Aber die Folge ist, dass bei den Öffnungen der anderen Bauabschnitte kein Wasser fließt. Dazu kommen exorbitante Bauverzögerungen  und es ist  noch immer ein Bauabschnitt mit zwei Brücken fertigzustellen.

Wenn jetzt der Pleißemühlgraben geöffnet wird haben wir eines Tages das gleiche Problem an dieser Stelle, nämlich durch die Öffnung in der Lampestraße/Simsonstraße.

Diesem Sachverhalt sollten wir mehr Aufmerksamkeit widmen.