Redner: Christopher Zenker, Stadtrat der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
werte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
sehr geehrte Gäste!

Kaum eine Vorlage der letzten Jahre wurde in der Öffentlichkeit und im Stadtrat intensiver diskutiert. Fast zwei Monate wurde in Stadtbezirksbeiräten, auf Bürgerversammlungen und in Fachausschüssen um Kompromisse und Lösungen teilweise heftig gerungen.
Während zum Konzept zur Unterbringung und zur sozialen Betreuung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nahezu keine Kritik zu vernehmen war, wurde über einzelne Standorte gestritten. Wobei den Standorten in Dölitz-Dösen, Eutritzsch und Plagwitz in den Stadtbezirksbeiräten bereits in der ersten Lesung zugestimmt wurde. Auch der Standort Schönefeld und der bestehende Standort in Grünau stießen auf Zustimmung. Selbst der erst im Zuge der Diskussion neu hinzugekommene Standort in Reudnitz in der Riebeckstraße wurde in der ersten Lesung bestätigt und dass obwohl dessen Gesamtgröße mit über 115 Plätzen deutlich über den angestrebten 50 Personen pro Objekt bzw. Standort liegt.

Im Kern diskutieren wir heute noch über die Standorte in Wahren und Portitz, welche im Verlauf der Diskussion, auch durch einen gemeinsamen Antrag unter Beteiligung der SPD, bereits deutlich verkleinert wurden. Neben der Verbesserung der Situation der Flüchtlinge ist man damit auch auf die Ängste und Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner eingegangen.
Die drei häufigsten Argumente, die gegen die Standorte in Wahren und Portitz vorgebracht werden, sind dabei die Kosten, das Sicherheitskonzept und die Nähe zu Einfamilien- bzw. Reihenhäusern.
Die Diskussion um Kosten, so ehrlich möchte ich sein, halte ich in vielen Fällen für vorgeschoben. Zum einen, da das Kostenargument offensichtlich jeweils für den Standort vorgebracht wird, von dem man selbst betroffen ist. Zudem haben wir Stadträtinnen und Stadträte den Vorschlag Riebeckstraße selbst gemacht, obwohl wir wissen, dass dieser für uns teurer wird, als der in der Weißdornstraße.
Ein weiterer Vorwurf ist der, des vermeintlich fehlenden Sicherheitskonzepts. Hierzu kann nur das wiederholt werden, was bereits mehrfach gesagt wurde. Kein Standort wird ohne bestätigtes Sicherheitskonzept in Betrieb gehen. Die Polizeidirektion signalisiert hierzu, dass die sehr aufwendige Arbeit erst beginnt, wenn über die Standorte im Stadtrat entschieden wurde. In einem Zeitungsinterview wurde zusätzlich schon bestätigt, dass kleinere Standorte insgesamt von Vorteil sind.

Bleibt noch das Argument, dass Asylunterkünfte nicht in der Nähe von Einfamilienhäusern möglich sein sollen. Dieses erschließt sich mir überhaupt nicht, da unter anderem das Beispiel Liliensteinstraße in Grünau das Gegenteil beweist. Das sieht auch der Grünauer Stadtbezirksbeirat so. Obwohl dieser Standort mit 220 Plätzen sehr groß ist, wurde er nahezu einstimmig bestätigt.
Selbstverständlich haben wir in der SPD-Fraktion die zahlreichen Briefe gelesen, auch wenn wir viele noch nicht beantworten konnten. Dass wir die darin geäußerten Sorgen und Ängste ernst nehmen, auch wenn wir sie nicht alle teilen, haben wir mit dem Änderungsantrag gezeigt.
Rassistischen Tendenzen erteilen wir jedoch eine ganz klare Absage. So ehrlich müssen wir an dieser Stelle sein, auch diese gab es. So wurden Flüchtlinge in Briefen oder Einwohneranfragen als „Parasiten“ bezeichnet oder es wurden Ausländern in ihrer Gesamtheit negative Eigenschaften zugeschrieben und ihnen pauschal attestiert, dass sie kaum in unsere Gesellschaft integrierbar seien.
Diese Aussagen sind sachlich falsch und für die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer sowie Migrantinnen und Migranten zutiefst verletzend. Dies habe ich im eigenen Familien- und Freundeskreis gespürt. Mehrfach wurde mir die Frage gestellt, wie weltoffen Leipzig denn nun wirklich sei oder ob es Bereiche in der Stadt gibt, die man lieber meiden sollte.

Bereits in der Vergangenheit gab es beim Ansiedeln von Behindertenwohnheimen, bei betreutem Wohnen für Jugendliche, bei Kindertageseinrichtungen oder eben bei Flüchtlingswohnheimen teilweise massive Bedenken, Ängste und Proteste. Die meisten Sorgen und Ängste konnten durch konkrete Erfahrungen vor Ort abgebaut werden. Die SPD-Fraktion ist sich sicher, dass das auch diesmal so sein wird.
Trotz aller Schwierigkeiten haben wir in Leipzig bereits eine Menge erreicht. So leben in Leipzig ca. 60 Prozent der Flüchtlinge dezentral in autonom funktionierenden Wohneinheiten. Und das, obwohl der Freistaat Sachsen den Kommunen sehr enge Grenzen setzt und die dezentrale Unterbringung im eigenen Wohnraum nur in Ausnahmefällen erlaubt. Hier ist die Landesregierung aufgefordert, diesen Erlass zu ändern.
Während die Stadt Leipzig sich trotz dieses Erlasses der Staatsregierung Spielräume verschaffen konnte, gibt es politische und rechtliche Bereiche, die sie nicht beeinflussen kann, deren Modernisierung jedoch die Lebenssituation von Flüchtlingen weiter verbessern würde. Hierzu zählen die Residenzpflicht oder das Arbeitsverbot. Bzgl. Letzterem werden die im Konzept vorgesehenen freiwilligen Arbeitsgelegenheiten helfen, die Situation nur sehr leicht zu entspannen. Sie sind jedoch immerhin ein Versuch. Weitere Verbesserungen liegen leider nicht in der Hand unserer Leipziger Kommunalpolitik, da hierzu vornehmlich die Bundesgesetzgebung geändert werden müsste.

Auch wenn zwei Standorte zukünftig größer sein werden, als 2010 im Stadtrat beschlossen, wird die SPD-Fraktion der Vorlage heute zustimmen, da durch die dezentrale Unterbringung sowie die Unterbringung in kleinen Gemeinschaftsunterkünften die Lebensbedingungen der Asylsuchenden deutlich verbessert werden. Durch mehrere Standorte können zudem potentielle Konflikte innerhalb der Wohnunterkünfte reduziert werden, da beispielsweise problembehaftete interethnische Konfrontationen auf engem Raum vermieden werden können.
Darüber hinaus wird in allen Wohnhäusern durch eine soziale Betreuung, die sich an den individuellen Problemlagen der Bewohnerinnen und Bewohner orientieren und Hilfe zur Selbsthilfe geben soll, der Spracherwerb und die Integration gefördert. Zudem können die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zwischen „alt eingesessenen“ Anwohnerinnen und Anwohnern und den Flüchtlingen bei Konflikten vermitteln und potentielle Probleme können so schon im Ansatz moderiert werden.
Wir hoffen, dass mit dem heutigen Beschluss nicht nur daran gearbeitet wird, die Objekte zu sanieren, sondern, dass auch das angestrebte Patenschaftsmodell an Fahrt gewinnt und mit Akteuren vor Ort aufgebaut werden kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.