Redner: Fraktionsvorsitzender Axel Dyck

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
werte Gäste,

wir behandeln heute ein sehr ernstes und ich meine auch ein für die Verwaltung hochnotpeinliches Thema. Bei der Betreuung der so genannten „herrenlosen Grundstücke“ haben Mitarbeiter des Rechtsamtes über viele Jahre eine sich letztendlich verselbstständigende Problemlage geschaffen, die auf einen systemischen aber vor allem auf einen individuellen, möglicherweise gepaart mit fachlicher Inkompetenz oder ungenügender Qualifikation von Mitarbeitern zu begründenden, leichtfertigen Umgang des Amtes mit dem Eigentum Dritter schließen lässt.

Herrenlos heißt eben nicht gleichzeitig eigentümerlos, nur sind die rechtmäßigen Eigentümer nicht bekannt. Die uns bisher vorliegenden Berichte zeichnen kein gutes Bild des Umgangs mit dem vom Gesetzgeber anvertrauten Eigentum Dritter. Es wurden Akten schlampig geführt, in einer nicht tolerierbaren Fallzahl nicht oder zu wenig nach den eigentlichen Eigentümern gesucht und Verfahrensregeln sowie Prüfvermerke und Hinweise anderer Ämter auch ignoriert. Ich sehe hier auch eine unterschwellige Arroganz im Umgang von Ämtern und deren Mitarbeitern untereinander. Ich möchte dies an dieser Stelle aber nicht einer spezifischen Berufsgruppe zuordnen.

Durch diesen Arbeitsstil wurden Menschen quasi enteignet und andere konnten über Umwege möglicherweise hohe Gewinne erzielen. Das ist alles kein Ruhmesblatt! Auch lassen sich diese Vorgänge bedauerlicherweise nicht mehr ungeschehen machen.
Glücklicherweise müssen wir uns heute und hier nicht mit dem Fragenkreis Vorsatz und Korruption beschäftigen. Dies wäre dann tatsächlich eine andere Dimension und die müsste auch anders hier im Rat behandelt werden.

Was die Stadtverwaltung allerdings tun kann, ist die Vorgänge sauber und penibel aufzuarbeiten sowie den Kontakt zu den potentiellen Geschädigten suchen, um hier zumindest eine Teilwiedergutmachung zu erreichen. Transparenz und Offenheit, aber auch ein gewisses Maß an Demut sind hierbei geboten. Ich kann deshalb hierbei die Anstrengungen vom Oberbürgermeister und von Bürgermeister Müller, die unternommen wurden und werden, seit das Ausmaß der Verfehlungen bei der Betreuung der herrenlosen Grundstücke bekannt wurde, nur begrüßen. Und ich kann den Willen erkennen, alles auf den Tisch zu legen, um hier keine weiteren Mutmaßungen ins Kraut schießen zu lassen.

Uns Stadträten stehen seit dem vergangenen Montag nun drei weitere interne Berichte des Rechungsprüfungsamtes zur Einsicht zur Verfügen, die einen Einblick in die teils unstrukturierten Zustände im Rechtsamt geben. Das zu lesen ist wahrlich keine Freude.

Was ich den Berichten allerdings nicht entnehmen kann, sind die in den Medien verbreiteten Darstellungen, dass die Verwaltungsspitze seit über zehn Jahren vom unrechtmäßigen Verkauf der Grundstücke gewusst und sie damit quasi gedeckt hätte. Das war auch nicht der Gegenstand der Überprüfung des Rechnungsprüfungsamtes. In den Berichten geht es vielmehr um die Fragen, ob die Kommune Verwahrkonten für die Erlöse aus dem Verkauf herrenloser Grundstücke haben darf und ob die Buchungen regelkonform erfolgten. Aus diesen Anmerkungen und Bemängelungen durch das Rechungsprüfungsamt kann man selbst mit viel Fantasie nicht herauslesen, dass die Grundstücke unrechtmäßig verkauft worden seien.

Dass die Suche nach den Eigentümern in vielen Fällen nicht regelkonform und sorgfältig erfolgte, ist eine Blamage für die Stadtverwaltung. Ja, das Ausmaß an Leichtfertigkeit, mit der hier mit fremdem Eigentum umgegangen wurde, ist für mich erschreckend. Hier müssen Konsequenzen gezogen werden. Diese Ansicht teile ich mit Ihnen voll und ganz. Deshalb wird auch die SPD-Fraktion den Beschlusspunkten der Vorlage, die in der Sitzung des Rechungsprüfungsausschusses verhandelt worden sind, zustimmen. Schließlich muss das Rechtsamt endlich eine Struktur und Personalqualität bekommen, die jederzeit ein rechtskonformes Handeln auf allen Rechtsgebieten garantiert.

Aber ich denke über das Rechtsamt hinaus. Bei dem hier zu behandelnden Problemkreis handelt es sich zwar um eine komplizierte Rechtsmaterie, die nicht im Fokus der politischen Arbeit des Rates stand und nur durch die Kulmination von Einzelfällen einen systemischen Hintergrund erhielt. Daher meine Sorge, gibt es möglicherweise in anderen Verwaltungsebenen und Aufgabengebieten auch systemisch und individuell determinierte Sachlagen, die irgendwann zum Problem werden könnten? Und – haben wir in der Stadtverwaltung überall und zu jeder Zeit ausreichend qualifiziertes und mit der erforderlichen Kompetenz ausgestattetes Personal? Das ist aber ein anderes Feld, sollte uns aber zu denken geben.

Aufarbeiten und Strukturen schaffen, die einen rechtskonformen Umgang mit herrenlosen Grundstücken und wie gesagt auch auf allen anderen Rechtsgebieten garantieren haben für mich die Priorität. Und, wer einmal mit Bürgermeister Müller über diese Problemlage direkt gesprochen hat, wird feststellen, dass er den Willen hat, aufzuklären und sein Möglichstes zu tun, den Schaden, der entstanden ist zu mindern.