Redner: Axel Dyck, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
werte Gäste!

Bevor ich zu einigen wenigen Gedanken zum Haushalt, flankiert von einigen grundsätzlichen Entwicklungsfragen unserer Stadt komme, muss ich natürlich etwas zum Ablauf der diesjährigen Haushaltsdiskussion sagen.
Über das strukturelle Haushaltsdefizit ist der Rat als solches zwar sehr zeitig informiert worden, aber über den Umgang mit den sich letztendlich auch nach den diversen Verwaltungsrunden und –klausuren, sowie nach Einbringung in den Rat im September abzeichnenden defizitären 40 Millionen eben nicht.

Vage und in stichwortartigen Zurufen wurde von einem Unterschied zwischen ausgeglichenem und genehmigungsfähigem Haushalt gesprochen. Wo der letztendlich durch den Rat zu verantwortende Schnitt liegt, wurde offen gelassen. Und an das Ende seiner wenig inspirierten und inspirierenden Rede setzte der Kämmerer das Diktum, ich übersetzte hier mal frei – „Der Rat möge ihn und die Verwaltung doch bitte nicht mit Änderungsanträgen und ähnlichem Firlefanz behelligen, er hat den Haushalt im Griff, er ist der Herr im Ring, allenfalls dürfen wir ihm beim Abbau des Defizits unterstützen.“
Ich nenne das den Versuch, den Rat in unzulässiger Weise zu disziplinieren, ich möchte nicht so weit gehen, vom Versuch einer Entmündigung zu sprechen.

Jeglichen Ambitionen in diese Richtung werden wir widerstehen. Das finale Etatrecht liegt immer noch beim Rat, auch wenn das gern umgehend über Haushaltssperren ad absurdum geführt wird.
Interessant ist, dass sich die dem Finanzbürgermeister nahestehende CDU-Fraktion nach dieser Ansage vor Schreck offensichtlich überhaupt nicht politisch mit dem Haushalt auseinandergesetzt hat.

Das war aber noch nicht das Ende der Merkwürdigkeiten. Noch vor Ende der gemeinsam gesetzten Frist zur Abgabe von Änderungsanträgen zum Haushalt werden uns Eingriffe in das Zahlenwerk einzelner Ämter bekannt, die uns bisher üblicherweise erst zusammenfassend in den verwaltungsinternen Änderungen übergeben wurden. Auch um systematische Abhängigkeiten erkennen und nachvollziehen zu können. So bleibt der Verdacht der Willkürlichkeit oder aber noch schlimmer, der Verdacht einer unsortierten Haushaltsaufstellung.
Herr Finanzbürgermeister, um es deutlich zu sagen: „Sie strapazieren unser Ehrenamt.“

Natürlich erkennen wir Ihre Zwänge und die Ihrer Kollegen Bürgermeister an, wenn parallel zum laufenden Prozess signifikante Änderungen auf der Einnahmeseite wie auf der Ausgabenseite zu erwarten sind, aber der Ehrlichkeit uns gegenüber hätten Sie eben bei dieser Unsicherheit auf die Haushaltseinbringung im September verzichten müssen. Es lag in Ihrer Hand. Aber da hat Sie Ihr Ehrgeiz überrannt.

Wie soll eigentlich die Haushaltsdiskussion im nächsten Jahr ablaufen, wenn Sie einen Doppelhaushalt einbringen wollen? Die Validität Ihres Zahlenwerkes muss ich nach dieser Erfahrung schon heute in Frage stellen.
Ich fordere deshalb Sie und den Oberbürgermeister auf, dass wir uns umgehend nach Verabschiedung des Haushaltes 2014 über die Einbindung des Rates in die Aufstellung des Doppelhaushaltes 2015/16 verständigen, gerade deshalb, weil am Anfang die Kommunalwahlen stehen und die Verwaltungsspitze sich nicht die Unerfahrenheit neuer Stadträte zunutze machen darf.

Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir stehen – wieder mal – vor einer schwierigen Situation, eine ohnehin sehr knappe Tischdecke über den gesamten Tisch ziehen zu müssen. Dieses Jahr ist die Tischdecke allerdings nicht nur knapp sondern schlicht zu kurz. Einerseits, weil der Stoff eingelaufen ist und andererseits weil der Tisch über die Jahre immer größer wurde. Wir kennen es –  und damit wiederhole ich Aussagen aus den vergangenen Jahren – nicht anders, als, dass wir versuchen, aus dem knappen Budget, welches nicht durch Pflichtausgaben oder deren Standards festgeschrieben ist, das Beste für die Stadt rauszuholen.

An dieser Stelle der Analyse rufen dann einige: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem – oder anders herum. Beide Aussagen sind hochgradig gefährlich, weil undifferenziert vereinfachend bis hin mit einem leichtsinnigen Populismus formuliert.
Weder sind oder waren im Haushalt 40 Millionen Euro einfach so mal leichtfertig auf der Ausgabenseite eingestellt, das erkennen wir an, noch können wir, an wen auch immer Zuweisungsforderungen stellen.

Unbeschadet dessen steht natürlich eine Reform der Kommunalfinanzierung auf unserem Forderungskatalog gegenüber dem deutschen Föderalismus. Leider habe ich bisher bei den Koalitionsverhandlungen darüber nichts gehört.

Am Rande sei bemerkt, wir würden allein bei einer ausgewogeneren und gleichmäßigeren Berechnung der KdU-Zuweisungen im Freistaat in einen deutlich positiveren Haushaltsansatz gelangen. Und was in der Berechnung vor zehn Jahren richtig war muss heute nicht unbedingt mehr stimmen.

Und auch der Ruf nach Prioritätensetzung bringt uns hier nicht weiter. Erstens sind Prioritäten keine objektive Kategorien – jeder hier im Saal, ob Bürgermeister, einzelner Stadtrat oder Fraktion definiert diese anders. Und zum anderen haben wir vor Jahren unsere Prioritäten mit den strategischen Zielsetzungen eigentlich schon definiert.
Allerdings bemerke ich hier an, dass wir nunmehr unter den Bedingungen einer nicht mehr zu leugnenden „wachsenden Stadt“ und zwar in allen relevanten Kenngrößen baldigst eine Evaluierung und Schärfung beider Ziele vornehmen sollten.

Da frage ich mich schon, ob jeder Haushaltsantrag an diesen Strategien orientiert ist, oder ob da nicht etwa persönliche Klientelpolitik durch die Seitentür gemacht wird oder was viel kritischer zu beleuchten wäre – wird durch Haushaltsanträge die politische Grundsatzdiskussion nicht unzulässig verkürzt oder umgangen? Als Stichwort möchte ich hier nur Anträge zur Finanzierung des ÖPNV nennen.
Dieses Thema, gepaart mit grundsätzlichen Fragen zum Verkehr in dieser Stadt in den nächsten zehn Jahren wird im nächsten Jahr ganz oben auf der Tagesordnung des Rates stehen müssen.
Frau Bürgermeisterin Dubrau, Sie sind bereits mehr als 100 Tage im Amt, die stille Schonzeit ist vorbei, es wäre genau jetzt der Zeitpunkt, von Ihnen auch hierzu erste Überlegungen vernehmen zu dürfen.

Womit ich aus der Finanzierungsfrage ÖPNV, die ich heute nur unbeantwortet in den Raum stellen kann, ganz schnell bei unseren kommunalen Unternehmen bin.
Deren Investitionskraft, nicht nur die der LVB, hängt vom Ergebnis der prozessualen Auseinandersetzungen der KWL ab.
Hier haben wir erhebliche Risiken in der Stadt, nicht nur monetärer Art, weil u. U. Kapital gebunden und Liquidität der LVV entzogen wird – nein, zusätzlich wird an der Schnittstelle bspw. städtische Straßenverkehrsinfrastruktur zu den Netzen des LVV-Konzerns ein Vakuum entstehen, weil paralleles Bauen durch fehlende Finanzmittel erschwert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Seien wir uns also auch bei der Haushaltsdiskussion der hoch komplexen Risiko-, aber auch Chancensituation in den Finanzbeziehungen zwischen Kernstadt und städtischen Unternehmen bewusst. Hier liegt eine untrennbare Einheit und die SPD–Fraktion wird sich den immer wieder aufflammenden Bestrebungen, Partikularinteressen im Umfeld der Unternehmen gegen die Stadt zu formulieren, widersetzen.

Kommunales Vermögen ist allerdings nicht nur in den Unternehmen bilanziert, sondern wird auch im Haushalt weithin abgebildet.
Dieses gilt es zu wahren, zu sichern und zu mehren.
Und dies nicht nur buchhalterisch in Form des Wechselspiels zwischen Investitionen und Abschreibungen, sondern auch ideell, wie es gerade, zugegebener weise etwas überzogen, die Diskussion um das historische Stadtbad zeigt.

Die SPD Fraktion hatte bereits in der vorjährigen Haushaltsdiskussion am Beispiel von Grund- und Boden gefordert, dass in diesem Bereich kein Vermögensverzehr mehr stattfinden darf. Ich erinnere, dass im Gegensatz zu vielen anderen Vermögenswerten, mit Ausnahme von Kultur- und Kunstschätzen, Grund- und Boden der einzige Wert ist, der sich nicht beliebig vermehren kann.
Herr Bonew, an dieser Stelle waren Sie uns lange eine Antwort schuldig. Diese liegt nunmehr vor. Wir werden darüber im Detail noch reden müssen.

Die Gesamtinvestitionen sollen im Haushaltsjahr 2014 auf hohem Niveau fortgesetzt werden. Das ist erfreulich. Und das begrüßen wir ausdrücklich. Hervorzuheben ist, dass die Investitionen zum weitaus größten Teil in die Bildungsinfrastruktur und in die Kindertagesstätten erfolgen. Da das heute noch im gesonderten Tagesordnungspunkt diskutiert werden wird, möchte ich hier nicht weiter darauf eingehen.
Die Vorrangigkeiten sind im Investitionshaushalt somit eindeutig gesetzt.
Für die Zukunft müssen wir uns, nach dem der Kindergartenbereich im nächsten und übernächsten Jahr stabilisiert ist, allerdings über neue Rangigkeiten verständigen.
So steht die Frage Straßen, Brücken und Fußwege gegen vermeintlich „weiche“ Kulturbauten erneut abzuwägen. Wünsche gibt es dabei eine ganze Menge – so steht u. a. die Finanzierung eines Naturkundemuseums mit ca. 20 Millionen Euro, eines neuen Theaterhauses für die freie Szene etwa 5 Millionen Euro, der Bau einer kleinen Bühne im Schauspiel auch um die 7 Millionen Euro mal so mit im Raum. Vom Stadtbad und Stadtarchiv oder der Fertigstellung des Völkerschlachtdenkmals will ich gar nicht erst reden.

Bei der mittelfristigen Darstellung dieser Investitionen werden wir auch, wie ich schon erwähnte, von Restriktionen aus den KWL-Auseinandersetzungen vor allem hinsichtlich unserer Möglichkeiten neue Investitionskredite aufzunehmen, begleitet.
Ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden, aber hier sehe ich mittelfristig, vielleicht aber auch schon im nächsten Jahr Spielräume, die wir nutzen sollten.
Kreditaufnahmen zur Vermögenssicherung und –mehrung in Zeiten extrem niedriger Zinsen sollten jetzt genutzt werden und nicht in die Zukunft verschoben werden.
Aber das würde ja bedeuten, dass sich einige vom Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ oder von der Mähr der „unbotmäßigen Belastung unserer Kinder und Enkel“ verabschieden müssten.
Stattdessen sollten wir uns am „schwäbischen Mittelstand“ orientieren, der heute in die Zukunft seiner Erbengeneration investiert.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Unbeschadet der unbefriedigenden Ausgangslage für die Haushaltsdiskussion hat meine Fraktion einige wenige Änderungsanträge gestellt.
Diese sollte man aber eher nicht an den finanziellen Auswirkungen festmachen, da ist je nach Blickrichtung Spielraum nach oben und unten. Sondern die Anträge tragen grundsätzlichen Charakter.
Sie erklären sich von selbst, auf eine formale Erläuterung verzichte ich hier und heute. Auch aus Zeitgründen.
Trotzdem zum Schluss noch einige wenige Bemerkungen und Anregungen darüber hinaus.

Im Kinder- und Jugendhilfebereich gibt es nach ersten Kürzungen und Rücknahmen dieser noch immer eine diffuse Gemengelage im Finanzierungsansatz.
Reflexartig Haushaltsanträge zur Aufstockung des Jugendhilfeetats sowie begleitende Kettenbriefe der Träger der freien Jugendhilfe helfen uns da wirklich nicht weiter.
Ich halte es für unerlässlich, dass wir für den Jugendhilfebereich endlich eine komplette Bestandsaufnahme machen, um zu sehen, wie viel Geld fließt wofür wohin und müssen wir das alles vorhalten. Das wird mit Sicherheit schmerzhaft und sorgt nicht unbedingt für gute Stimmung bei allen Beteiligten, aber ich sehe dazu keine sinnvolle Alternative. Es kann nicht für alle Zeit die Lösung sein, jährlich eine nicht unerhebliche, oft sechsstellige Etaterhöhung vorzunehmen.
Vielmehr müssen wir uns ehrlich fragen, ob alle Angebote, die entwickelt werden, tatsächlich den Nutzen haben, den wir uns erhoffen. Ich will es ketzerisch ausdrücken: Der Zweck von Sozialarbeit sollte es sein, sich im Laufe der Zeit selbst überflüssig zu machen. Graben sich hier nicht viele Angebote aus dem Jugendhilfebereich gegenseitig das Wasser ab?
Wie verhalten sich diese Angebote zu jenen der Ganztagsschulen und Horte oder ist dort eine ungewollte Konkurrenzsituation entstanden? Auf diese Fragen erwarte ich von der Verwaltung baldigst klare Aussagen und Handlungsoptionen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Die SPD-Fraktion steht ohne Frage zur Jugendhilfe. Gerade deshalb müssen wir aber auch diesen Bereich evaluieren, um das Notwendige finanzieren zu können.

Das Thema Schulsozialarbeit rufe ich nicht explizit als Gegensatz zum vorgenannten auf.
Aus unserer Sicht ist die Schulsozialarbeit eine Notwendigkeit und sollte kein freiwilliges Zusatzangebot in den Leipziger Schulen sein, sondern vielmehr zum Standard gehören. Dazu wurde in der letzten Ratsversammlung ausgiebig debattiert.
Da sind wir in Leipzig schon sehr weit und unsere Ansichten sind offensichtlich bis in die Koalitionsgespräche nach Berlin vorgedrungen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Leider fehlt die Zeit um auf das eigentlich wichtigste Thema näher einzugehen. Woher kommen die finanziellen Mittel um einen Haushalt überhaupt aufstellen zu können? Ausschließlich aus der Wirtschaftskraft Deutschlands, Sachsens und Leipzigs. Seien wir uns dessen bewusst und handeln wir deshalb auch auf der Ausgabenseite wirtschaftlich und sozial vernünftig. Aber auch hier – jeder versteht darunter etwas anderes.

Herr Oberbürgermeister, Herr Finanzbürgermeister,

die SPD – Fraktion erhofft sich bis zum erweiterten Finanzausschuss deutlich mehr Klarheit über die tatsächliche Haushaltslage. Ansonsten sehen wir die Beschlussfassung im Dezember mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

Lieber Herr Bonew, die wundersame Abschmelzung des ursprünglichen Defizits von 40 Millionen auf nunmehr um die 15 Millionen Euro ist erfreulich und ich möchte Ihre Anstrengungen, die Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Kollegen Bürgermeister in keiner Weise schmälern. Sie haben sicher Ihr Bestes getan. Aber eigentlich bestätigt das genau das, was ich eingangs meiner Rede zur Haushaltsaufstellung gesagt habe.

Danke.