Rednerin: Dr. Anke Kästner, Stadträtin der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
werte Damen und Herren Bürgermeister,
Kollegen und Kolleginnen des Stadtrates,
liebe Gäste!

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – vormals Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist am 18.08. 2006 in Kraft getreten. Das vorliegende Gesetz soll der Verhinderung bzw. Beseitigung von Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Lebensalters, der Religion und Weltanschauung und/oder der sexuellen Identität dienen

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Das Gesetz enthält ein arbeitsrechtliches, ein zivilrechtliches und ein sozialrechtliches Benachteiligungsverbot und definiert zulässige unterschiedliche Behandlungen. Bei Diskriminierung bzw. Belästigung entstehen Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz.

Obwohl das Gesetz an einigen Stellen hinter den Mindestanforderungen der EU-Richtlinien zurückbleibt, wurde mit seiner Verabschiedung die Hoffnung verbunden, dass dadurch ein positives Signal gesetzt wird und unsere Gesellschaft bzw. unser Staat durchaus auf Dauer Diskriminierung verhindern will.
Durch die schleppende Bearbeitung und die mediale Diskussion während der Entstehung des Gesetzes ist dagegen der Eindruck entstanden, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine von der EU aufgezwungene bürokratische Belastung sei und eher nur als Mehrarbeit und zusätzlicher Kostenfaktor gesehen wird, denn als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.

Gerade auch deshalb sah es meine Fraktion, die SPD-Fraktion, als sinnvoll an, den hier zur Abstimmung stehenden Beschlussvorschlag zur “Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)” ins Verfahren zu bringen.
Hauptziel unseres Antrages ist es darauf zu drängen, dass auch die Stadt Leipzig als Arbeitgeber wenigstens die aus dem Gesetz abgeleiteten Mindestanforderungen bzw. Pflichten erfüllt, z.B.:

  • die Beschäftigten präventiv über Diskriminierung aufzuklären und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bekannt zu machen
  • bei Diskriminierung im Unternehmen geeignete arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen
  • eine betriebliche Beschwerdestelle zu benennen und bekannt zu machen
  • die Beschäftigten zu unterstützen, die sich gegen Diskriminierung zur Wehr setzen

Darüber hinaus gehende Maßnahmen, wie zum Beispiel der Beschluss einer Antidiskriminierungsrichtlinie im Leipziger Stadtrat, wären empfehlenswert und würden der “weltoffenen Stadt Leipzig” sicher gut zu Gesicht stehen.
Diese Richtlinie könnte zusätzlich den gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltung und Institutionen, wie z.B. Behörden, Schulen, Kindergärten usw. mit einbeziehen, die (leider) nicht in den Schutzbereich des AGG aufgenommen wurden. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen aber, dass hier (besonders beim Kontakt Kunde – Mitarbeiter) Diskriminierung besonders häufig stattfindet und ein erheblicher Bedarf an strukturellen Veränderungen besteht, der zusätzliche (rechtliche) Handlungsmöglichkeiten für die Betroffenen erforderlich macht.

So hat als erste Stadt in der Bundesrepublik Deutschland Frankfurt am Main am 18. September 2003, also bereits vor Erscheinen des AGG, eine Antidiskriminierungsrichtlinie für die Beschäftigten der Stadtverwaltung erlassen, durch die, ich zitiere aus der Präambel:
“… jede Form der Diskriminierung einer Einwohnerin/eines Einwohners durch Bedienstete (der Stadt) zu unterbinden (ist)…”.
In einer umfangreichen öffentlichkeitswirksamen Kampagne u.a. mittels Plakaten und Postkarten in verschiedenen Sprachen, die auf die Richtlinie und das Beschwerdeverfahren hinweisen, wurde sie bekannt gemacht.

Durch viele solcher weitergehenden und von einer breiten Mehrheit getragenen Aktionen und Aktivitäten wird es perspektivisch vielleicht auch in Deutschland möglich sein, eine Kultur der Antidiskriminierung zu etablieren, wie sie in Ländern wie z.B. Holland und Schweden bereits selbstverständlich ist.

Kurz noch einige Worte zum Verwaltungsstandpunkt, der zum einen Zustimmung zu unseren Antrag empfiehlt und zum anderen bereits Umsetzungsvorschläge enthält bzw. bereits laufendes Verwaltungshandeln deutlich macht.
Besonders vor dem Hintergrund, dass eine erfolgreiche Umsetzung des AGG allgemein zu einer selbstverständlicheren Kultur der Antidiskriminierung beitragen soll, würde ich vorschlagen, folgende Teile des Verwaltungsstandpunktes noch einmal dahingehend zu überdenken, dass

  • alle Mitarbeiter der Verwaltung geschult werden bzw. wenigstens eine Betriebsversammlung zum Thema durchgeführt wird (zu Punkt 3)
  • dass “Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle 2007” intensiver – als im Verwaltungsstandpunkt vorgeschlagen – genutzt wird, um die Bevölkerung Leipzigs durch eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne für dieses Thema zu sensibilisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, ich möchte Sie bitten unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!