Redner: Stadtrat Heiko Bär

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren Stadträte,
liebe Besucher und Gäste,

vor etwa einem dreiviertel Jahr führte die Handwerkskammer zu Leipzig eine Veranstaltung unter dem Titel „Handwerker fragen – Kommunalpolitiker antworten“ durch. Neben dem Leipziger Oberbürgermeister standen auch die Landräte Gey und Czupalla Rede und Antwort. Wer die Veranstaltung damals verfolgt hat, dem wird aufgefallen sein, daß sich etwa die Hälfte der Frage- und Diskussionszeit mit dem Thema Vergaben auseinandergesetzt hat. Dabei gab es wahrlich weitere wichtige Themen. Wirtschafts- und Finanzkrise zum Beispiel, und das Überleben von Unternehmen. Herr Dirschka mußte schon sehr aufmunternd in die Runde fragen, ob denn nicht vielleicht noch jemand eine Meinung zur Umweltzone hätte. Die Handwerker liesen sich damals nicht erweichen und thematisierten immer wieder die Vergaben.

Gleichzeitig, um das Bild wieder zurechtzurücken, sorgte gerade zur selben Zeit das Konjunkturpaket II für ein insgesamt hohes Auftragsvolumen. Für einzelne Gewerke wurde es oftmals sogar schwierig überhaupt Auftragnehmer zu finden, die noch Kapazitäten hatten, und für die Stadt vertretbare Preise zu erzielen.
Leider müssen wir auch immer wieder feststellen, das zahlreiche Bewerber für Aufträge oftmals unnötige Fehler in ihren Unterlagen machen, die zum gesetzlich zwingenden Ausschluß von der Vergabe führen. Und machmal wird auch nicht klar, warum sich diverse Unternehmen vor Ort überhaupt nicht um Ausschreibungen bewerben, obwohl sie von ihnen wissen. Nicht zuletzt müssen sich auch die Vergabeberichte der Stadt Leipzig nicht verstecken, zeigen sie doch, daß das weitaus größte Vergabevolumen tatsächlich in Stadt und Region bleiben.

Wir erkennen hier also einen deutlichen Widerspruch zwischen der Wahrnehmung der Unternehmen vor Ort auf der einen Seite und den Vergabestellen der Stadt auf der anderen Seite. Die Wahrheit wird sicher irgendwo dazwischen liegen und es geht insbesondere um einen Optimierungsbedarf beim Halten von Vergaben in der Region. Jedoch fällt ganz deutlich auf, daß es mehr Kommunikation und Austausch mit den Leistungsanbietern selber bedarf. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, mit dem Landesinnungsmeister eines Gewerkes darüber zu sprechen, der sehr viel aus seiner Sicht und der seiner Kollegen als Leistungsanbieter berichten konnte, so z.B. über unrealistische Fristsetzungen zur Angebotseinreichung. Aber mit ihm und seinen Kollegen tauscht sich darüber nie jemand aus, weder Politik, noch Verwaltung, noch die Kammer – ganz interessanter Aspekt. Sicherlich ist Kommunikation eine zweiseitige Angelegenheit. („Du rufts ja nie an“ – „Na Du ja auch nicht“)

Aber auf Seiten der Stadt Leipzig reicht es nicht aus, im Vergabegremium lediglich darüber zu informieren, es habe von sich aus kein Leistungsanbieter über die konkrete Fassung der Ausschreibungsunterlagen beklagt. Dann stimmt das Verhältnis zumindest von unserer Seite aus nicht. Insofern fordere ich die Wirtschaftsförderung und die vergebenden Fachämter auf, stärker von sich und auch direkt mit den Leistungsanbietern Vergaben auszuwerten. Dass Vertreter der Kammern mit in den Vergabegremien sitzen reicht nicht aus, zumal die leider auch nur sehr selten mal einen Pieps von sich geben.

Das ganze Thema ist übrigens nicht irgendeine Detailfrage, sondern es ist von grundsätzlicher Bedeutung für die kommunale Wirtschaftsförderung. Man kann viel darüber diskutieren wie groß der konkrete Einfluß bestimmter harter oder weicher Standortfaktoren ist. Letztendlich ist entscheidend an welchem Standort oder von welchem Standort aus Unternehmen am besten Geld verdienen können. Bei Neuansiedlungen kommt das ganz offen zu tragen, aber auch Bestandsunternehmen können nur wachsen, wenn sie in der Region profitabel arbeiten können. Dazu passt es dann eben nicht, (ganz aktuelles Beispiel) wenn wir mit viel Aufwand ein Gesundsheits- und Biotechnologiecluster fördern, aber medizintechnische Ausrüstung für unsere eigenen Rettungssysteme aus Kompatibilitätsgründen nur bei bestimmten Anbietern in Berlin einkaufen können. Wie wollen wir dann Unternehmen gegenüber begründen, warum sie gerade hier investieren sollen, oder nach einer Wachstumsphase hier bleiben sollen.

Für die systematische Bearbeitung der Vergabepolitik der Stadt Leipzig trägt selbstverständlich das Amt für Wirtschaftsförderung die Verantwortung. Aber mir ist ganz wichtig zu betonen, daß jedes einzelne Fachamt hier in der Mitverantwortung für seinen Bereich als Vergabestelle steht und erkennt, daß die Leistungsfähigkeit der Stadt und jede einzelene Personalstelle in der Stadt am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen hier vor Ort abhängt.
Unser Antrag kann dazu nur Impulsgeber sein, und so soll er auch verstanden werden. Viel besser als ein immer strengeres und komplexeres Regelwerk zu Vergaben durch die Stadt ist der gelebte Geist der Wirtschaftsfreundlichkeit innerhalb aller Ämter, das Verstehen von Wirtschaftsförderung als Querschnittsaufgabe der ganzen Verwaltung und natürlich einem Amt für Wirtschaftsförderung, das diesen Geist zu nähren versteht.

Der Verwaltungsstandpunkt ist an einer besonderen Stelle auch noch über unseren eigenen Antrag hinausgegangen. Neben der stärkeren Einbindung der Wirtschaftsförderung in die Vergaben, soll auch nachträglich die seit Jahren sowieso nur noch auf dem Papier stehende Stelle des Vergabebeauftragten aus den Grundsätzen der Vergabepolitik wieder herausgestrichen werden. Ein etwas unglücklicher Hergang, weil der Stadtrat damit einen eigenen Beschluss ändert, der eben verwaltungsseitig nicht mehr umgesetzt wurde, und der auch nur deshalb zur Beschlußfassung ansteht, weil sich unsere Fraktion stärker mit dem Thema Vergaben auseinandergesetzt hat. Wir werden uns trotzdem auch diesen Teil des Verwaltungsstandpunktes zu eigen machen und abstimmen lassen, weil die von uns angestrebte Gesamtverantwortung der Verwaltung nicht funktioniert, wenn man die Verantwortung ja nur auf einen konkreten Beauftragten abschieben braucht.

Ob dies so klappt wie von uns und der Verwaltung angestrebt, oder ob am Ende zwar irgendwie alle, aber damit auch keiner mehr zuständig ist, sollten wir zu gegebener Zeit erneut auf die Tagesordnung nehmen. Meine Fraktion wird dies jedenfalls tun.

Herzlich Dank!