Rednerin: Dr. Anke Kästner, Stadträtin der SPD-Fraktion

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
werte Damen und Herren Bürgermeister,
Kollegen und Kolleginnen des Stadtrates, liebe Gäste!

“Wer nicht hinkommen kann, kann in der Gesellschaft auch nicht ankommen. Deshalb ist gerade für Hartz IV-Empfänger und Leipzig-Pass-Inhaber Mobilität die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe”, erklärte der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Leipzig – Gernot Borriss – anlässlich einer Presseinformation.
Diese Auffassung teilt meine Fraktion – die SPD-Fraktion – und fordert in einem gemeinsamen Antrag mit der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deshalb die Verwaltung auf, zu prüfen, zu welchen Konditionen ein ganztägiges Sozialticket für den ÖPNV für Leipzig-Pass-Inhaber eingeführt werden kann.

Für meine Fraktion steht aber trotz der derzeitigen Forderung nach einem Sozialticket fest, dass es nicht die originäre Aufgabe der Stadt sein kann, ständig sozialpolitisch nachzubessern ohne die sozialpolitischen Strukturen im Hilfesystem zu überprüfen. Dauerhaftes Ziel muss es deshalb sein, staatliche Sozialleistungen so auszustatten, dass mit ihnen ein Armut verhinderndes Leben ohne weitere Subventionen möglich ist.
Da dieses zum jetzigen Zeitpunkt und sicherlich auch in der nahen Zukunft jedoch nicht der Fall ist bzw. sein wird, ein großer Teil der Bürger Leipzigs aber jetzt unsere Hilfe und Solidarität benötigt, muss die Stadt Leipzig erst einmal eine eigene Lösung anbieten.

Um zu verdeutlichen, dass es hierbei nicht nur um eine „Hand voll” Menschen geht, möchte ich durch das Nennen einiger erschreckender Zahlen noch einmal auf die Notwendigkeit und Brisanz unserer Forderung hinweisen:

  • Leipzig hat ca. 65.000 gemeldete Arbeitslose,
  • 104.000 Arbeitssuchende,
  • ca. 98.000 ALG II-Empfänger in Bedarfsgemeinschaften und
  • ca. 27.000 Sozialgeld-Empfänger (Arbeitsmarktreport der Agentur für Arbeit für den Berichtszeitraum August)
  • in Leipzig sind ca. 15.500 Erwerbstätige sog. Aufstocker – Bezieher von ergänzendem ALG II.

Nun zu den Argumenten der Gegner der Einführung eines Sozialtickets:

  1. “Die können doch den “Sparling” nehmen!” (20,- Euro; Fahrtzeiten 10.00-15.00 Uhr und 19.00-01.00 Uhr). Hierbei handelt es sich selbstverständlich um keine wirkliche Alternative.
  2. Gerade die Behörden, die hauptsächlich ALG II-Empfänger und andere Bedürftige als Kunden haben, wie z.B. ARGE, Arbeitsamt, Sozialamt, Ausländerbehörde usw. dürften große Schwierigkeiten haben, alle ihre Kunden in diesem Zeitraum unterzubringen, zumal von den 5 Stunden möglicher Fahrtzeit tagsüber ja sicherlich noch ca. 1,5 Stunden durch das Fahren bzw. die Mittagspause der Angestellten draufgehen dürften.
  3. Die so genannten Aufstocker haben sicherlich ganz andere Arbeitszeiten
  4. Viele Ehrenamtliche Helfer und sog. 1,- Euro-Jobber, die ebenfalls ALG II beziehen, und bereit sind hilfebedürftige Mitbürger, wie z.B. Migranten, alte und kranke Menschen zu Ämtern, Ärzten usw. zu begleiten und durch ihre Arbeit in Vereinen, Initiativen usw. die Gesellschaft dadurch sehr stark entlasten und unterstützen, haben permanent das Problem, dass sie nicht wissen, wie sie Ihre benötigten Fahrkarten finanzieren sollen
  5. “Das ist alles viel zu teuer, die Stadt hat kein Geld!”

Wie viel zusätzliche Mittel die Einführung eines Sozialtickets für Leipzig kosten würde, muss ja erst einmal festgestellt werden. Außerdem darf bei dieser Rechnung nicht vergessen werden, dass die LVB dadurch auch Mehreinnahmen generieren wird. Da es für Leipzig noch keine verlässlichen Zahlen gibt, möchte ich hier auf die ersten Erfahrungen von Köln eingehen:
In Köln sind zurzeit 170.000 Personen anspruchsberechtigt. Inzwischen haben 63.000 ein Monatsticket für 25 Euro bei den Kölner Verkehrsbetrieben, was einem Umsatzplus von 300.000 Euro entspricht. Bei einem avisierten Ziel von 97.000 verkauften Tickets wäre ein Umsatzplus von 1,2 Mio. Euro zu erwarten.
Wir können es jedoch drehen und wenden wir wollen, letztendlich bleibt es eine politische Entscheidung, ob das Sozialticket eingeführt wird oder nicht, denn zum Nulltarif wird es nicht gehen.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern bedanken, die bei Wind und Wetter, oft stundenlang draußen gestanden und diskutiert haben, um die Bürger Leipzigs über die Idee eines Sozialtickets für Leipzig aufzuklären und um Ihre Unterstützung zu werben. Ihrer Hartnäckigkeit und Ausdauer ist es sicherlich maßgeblich zu verdanken, dass die ursprünglich kleinere Initiative mittlerweile von über 60 Vereinen, Sozialverbänden, Initiativen, Gewerkschaften und Parteien unterstützt wird. Weiter so!

SPD-Fraktion wird dem Verwaltungsstandpunkt zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!