Die SPD-Fraktion begrüßt, dass die Essener MFI AG die Frist für die Annahme ihres notariellen Kaufangebotes für das Areal am Brühl gegenüber der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) bis zum 30. April verlängert hat. “Dadurch ist genug Zeit, um die Wünsche der Ratsversammlung in den städtebaulichen Vertrag einarbeiten zu können” erklärt Dr. Joachim Fischer, Vorsitzender des Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau.

Um die geplante Neugestaltung der Brühlbebauung zwischen Richard-Wagner-Platz und Am Hallischen Tor am Nordrand des Leipziger Stadtzentrums wird heftig gestritten, was bei einem so wichtigen Teil der Leipziger Innenstadt verständlich ist. Leider verkommt die Diskussion für einige zum Glaubenskrieg, während anderen unzulässigerweise verschiedene Sachebenen miteinander vermengen.

Weitgehend besteht Einigkeit darin, dass nach dem Leerzug von “Blechbüchse” und den nebenstehenden Wohngebäuden, der Brühl in diesem Bereich zu verkommen droht und deshalb einer Aufwertung bedarf. Es wird erwartet, dass eine solche Aufwertung auch auf Hain- und Katharinenstraße belebend wirken wird. Vielleicht werden sogar Investoren für die noch immer fehlenden Eckgebäude des Bildermuseums gefunden.

Strittig ist die Nutzung für den zu schaffenden Komplex. Die am Verfahren beteiligten Anbieter gehen davon aus, dass zusätzlich zu den 10.000 m² in der so genannten Blechbüchse, für die Bestandschutz besteht, ca. 25.000 m² Verkaufsfläche erforderlich sind, um eine rentierliche Nutzung dieses Komplexes sicherstellen zu können.
Einzelhandelsverband, IHK sowie viele Bürger finden das zu viel. Mich erinnert die Diskussion an die Auseinandersetzung im Vorfeld des Umbaus des Leipziger Hauptbahnhofes. Damals wurde, u.a. auch mir vorgeworfen, wir wollten den Bahnhof lediglich zu einem Konsumtempel verkommen lassen. Zudem würden die Händler der Innenstadt in den Ruin getrieben werden. Das ist zum Glück alles nicht eingetreten. Im Gegenteil, der Bahnhof ist zum zusätzlichen Magneten für Leipzig und seine attraktive Innenstadt geworden.

Aus meiner Sicht wäre es viel wichtiger, über die zukünftig zulässige Sortimentsstruktur zu sprechen. Dem Investor muss klar sein, dass die Innenstadt nicht weitere Bekleidungs- und Schuhläden braucht. Es fehlen jedoch z.B. Möbel- und Ausstattungsläden, sowie ein auch für den Wochenendeinkauf mit dem Auto gut erreichbarer Lebensmittelversorger mit bezahlbaren Preisen. An diesen Standort passt jedoch kein Möbelkaufhaus für Selbstabholer. Eine Kombination würden nicht – wie von Vielen gefürchtet – Arbeitsplätze im Einzelhandel vernichtet, sondern neue geschaffen. In diesem Prozess fehlt bisher die Vertretung der Citygemeinschaft unserer Händler. Gerade sie müsste sich bei Diskussionen um Einzelhandelsflächen und vor allem um die Sortimentsstruktur zu Wort melden. Diese Steuerungsfunktion ist die Stärke gut geführter Einkaufszentren. Warum nimmt unsere Citygemeinschaft diese Aufgabe nicht an?

Unverzichtbar ist die Durchsetzung der Festsetzung aus dem rechtskräftigen einfachen Bebauungsplan für die Innenstadt nach der mindestens 20% in neuen Gebäuden Wohnfläche sein müssen. Wohnungen beleben das Stadtzentrum, und dies soll so bleiben.
Jegliche kulturellen oder andere öffentliche Nutzungen wären an dieser Stelle zu begrüßen, allerdings nur, wenn die Miete dafür nicht die Stadt zahlen muss. Anderes gibt die derzeitige Haushaltssituation nicht her.
Letztlich werden mit dem Satzungsbeschluss des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Flächen- und Sortimentsstruktur für den Geltungsbereich festgeschrieben. Es wäre jedoch gegenüber jedem Investor unredlich, wenn man vor dem Verkauf einer solchen Fläche nicht zumindest die Eckwerte für die zulässige Bebauung benennen würde.

Die zweite Ebene, über die gestritten wird, ist die Gestaltung des zu planenden Vorhabens. Es wird eine hochwertige Gestaltung für diesen Standort gefordert. Was unter dem Begriff „hochwertig” verstanden wird, bleibt offen. Die subjektiven Vorstellungen gehen sicherlich dabei weit auseinander. Bisher wurden lediglich “Bilder” diskutiert, die auf nicht durchgearbeiteten Vorentwürfen basierten oder aber bereits ausgeführte Beispiele von anderen Standorten zeigten, die alle die Gemeinsamkeit hatten, in keiner Weise Bezug zur Leipziger Innenstadt zu haben.

Mit dem o.g. einfachen Bebauungsplan wurde auch geregelt, dass bei Neubauten der ursprüngliche Stadtgrundriss wieder zu schaffen ist. Abweichungen sind nur im Ergebnis von Wettbewerben zulässig. Ein Architekturwettbewerb ist also zwingend Voraussetzung für die Gestaltung des Vorhabens. Sicher wird dessen Ergebnis nicht mit der Zufriedenheit aller enden. Jedoch ist Architektur, über die gestritten wird, allemal besser als solche, über die man kein Wort verliert.

Vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg standen in diesem Bereich zwei Quartiere, die durch eine Straße, etwa in Verlängerung der Katharinenstraße, gebildet wurden. Der Brühl selbst war eine schmale Straße. Das sollte beim Wettbewerb berücksichtigt werden. Abweichungen, die zu einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität führen, müssen jedoch zugelassen werden.
Auszuschließen ist ein Objekt, das sich nicht zum Brühl und zum Ring öffnet und das dazu verleitet, eine eigene Erlebniswelt zu erzeugen, und somit von einem Besuch der übrigen Innenstadt abhält. Ein solches Monstrum würde weder die Innenstadt ergänzen noch diesen begehrten Standort brauchen.

Eine dritte Ebene stellt eine Gemengelage aus Unwillen gegenüber der LWB und dem von ihr vorgeschlagenen Investor dar. Die gleichen Personen, die eine Entschuldung der LWB fordern, stört es, wenn deren Geschäftsführung beim Verkauf eines Grundstückes einen möglichst hohen Ertrag erzielen will.
Es ist unglücklich und führt u.U. zu Interessenkonflikten, dass der Betreiber des Paunsdorf-Centers nun als Investor der Brühlbebauung auftritt. Es ist jedoch zu akzeptieren, dass nur er sehr schnell die „Blechbüchse” erworben und damit einen Joker in der Hand hält. Eine Entwicklung der Fläche ohne Einbeziehung der „Blechbüchse” wäre nicht Ziel führend.

Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung einen wichtigen Beschluss gefasst, und dieser sollte im Interesse des Brühl zügig umgesetzt werden, auch wenn diejenigen, die selbst diesen Beschluss einbrachten, ihn nachträglich verändern möchten oder anders zu interpretieren glauben.
Solange auf der grünen Wiese die Konkurrenz, wie der Saale-Park – jetzt Nova Eventis – gegen die Leipziger Innenstadt aufrüstet, muss auch Leipzig im Interesse seiner Bürger und seiner Innenstadthändler dagegenhalten. Dies geht vor allem an die Adresse derjenigen, die heute viel über die Rettung der Innenstadthändler reden, aber stumm blieben, als die Stadt vor allem in deren Interesse z.B. gegen den Bau und die Erweiterung des Saale-Parkes kämpfte.